Von Schmitt, Jörg
Ein früherer Spitzenbeamter
des Athener Verteidigungsministeriums enthüllt, wie er jahrelang bestochen
wurde - angeblich auch von deutschen Waffenfirmen.
Den Tag vor Heiligabend nutzte Antonios Kantas, um
seine große Lebensbeichte zu beenden - wenn auch nicht ganz freiwillig. Knapp
eine Woche zuvor war der frühere Spitzenbeamte des Athener
Verteidigungsministeriums verhaftet worden. Fahnder hatten Millionen auf einem
geheimen Konto von Kantas beim Bankhaus Julius Bär in Singapur entdeckt. Nun hatte der 72-Jährige vier Tage lang ausgepackt,
über vermeintliche Konten, Auftraggeber, Mittelsmänner.
Rund 13 Millionen Dollar
Schmiergeld für ein gutes Dutzend Rüstungsaufträge will der frühere Leiter des
für Waffenkäufe wichtigen Direktorats Rüstung im Athener
Verteidigungsministerium zwischen 1992 und 2002 nach eigenen Angaben kassiert
haben. Sogar einen früheren Minister belastete Kantas schwer.
Was die Sache hierzulande
so brisant macht: Kantas nannte bei seiner Vernehmung auch Waffen-Deals mit
deutschen Firmen, bei denen er angeblich geschmiert wurde.
So will er allein für
Rüstungsaufträge an die Rheinmetall AG von einem griechischen Mittelsmann 1,5
Millionen Euro erhalten haben, damit die lukrativen Geschäfte über
Luftabwehrraketen und jede Menge Elektronik für die Modernisierung von U-Booten
tatsächlich nach Deutschland gingen - was die Firma bestreitet. Auch die
Staatsanwaltschaft Bremen ermittelt seit Wochen in den Fällen.
Kantas erzählte den Ermittlern in den Tagen vor
Heiligabend aber auch von einem Milliarden-Deal der Münchner Waffenschmiede
Krauss Maffei Wegmann (KMW), der vor knapp zehn Jahren schon einmal für
Aufregung gesorgt hatte (SPIEGEL 6/2004). Es geht um den Verkauf von 170
Kampfpanzern vom Typ "Leopard 2" an Griechenland, der zwischen 1996
und 2003 verhandelt wurde. Volumen: 1,7 Milliarden Euro.
Kantas erklärte, er sei als oberster Rüstungseinkäufer
seinerzeit gegen das Geschäft gewesen - zu teuer. Der "Nutzen stand nicht
im Verhältnis zu den Kosten". Doch der damalige Verteidigungsminister
Giannos Papantoniou habe das anders gesehen. Daraufhin habe er eines Tages, es
sei im Dezember 2001 gewesen, Besuch von Thomas Liakounakos erhalten. Der
Athener Industrielle sei schon lange für den KMW-Vorgänger, die damalige
Mannesmann-Tochter Krauss Maffei AG, als Vermittler tätig gewesen. Kantas
kannte ihn von früheren Rüstungsgeschäften.
Liakounakos habe ihm klargemacht, dass er "keine
Probleme bei der 'Leopard 2'-Beschaffung machen sollte". Dann, so
behauptet der Ex-Beamte, sei sein Gegenüber aufgestanden und gegangen - und
habe eine Reisetasche auf dem Sofa stehen lassen. "Als ich es merkte, ging
ich zur Tür und rief ihm nach: Du hast deine Tasche vergessen." Doch
Liakounakos habe nur lapidar geantwortet: "Ich habe sie nicht vergessen,
sie ist für dich."
Kantas will daraufhin die Tasche geöffnet und darin
Scheine im Wert von 600 000 Euro gefunden
haben: "Von da an trug ich keine Bedenken mehr gegen die Beschaffung vor."
KMW hat Schmiergeldzahlungen bei dem
Milliardengeschäft mit Griechenland stets bestritten. "Wir haben den Auftrag des besseren Preises und
der besseren Technik wegen bekommen", hieß es dazu bislang im Management.
Doch Zweifel sind angebracht, dass bei dem Geschäft
alles mit rechten Dingen zuging. Denn Liakounakos, der Mann mit der Tasche
voller Bargeld, ist seit Jahrzehnten Geschäftspartner des Panzerbauers. Und er
hat große Summen kassiert, um KMW zu helfen, das "Leopard"-Geschäft
mit Athen an Land zu ziehen. Aber auch, um
Entscheidungsträger wie Antonios Kantas zu bestechen?
Eine mögliche Spur führt nach Monaco in den Boulevard des Moulins. Dort residierte die International Barter & Offset Service Corporation
(Ibos): eine Briefkastenfirma, die im Herbst 1999 in der karibischen Palmen-
und Steueroase Nevis gegründet wurde und seither in einer Kanzlei im Fürstentum
ansässig war - ohne eigenes Büro, ohne eigene Telefonnummer. Pikant: Kantas
behauptete, Liakounakos habe ihm auch angeboten, Schmiergeld diskret über
Briefkastenfirmen bei einer Kanzlei in Monaco laufen zu lassen, wenn er im
Ministerium keine Einwände mehr gegen das "Leopard 2"-Programm
vortragen würde. So
die Aussage des früheren Beamten.
Aus Sicht von KMW verfügte die monegassische Ibos offenbar
über großen Einfluss in Athen. Denn die Briefkastenfirma schloss im Vorfeld der
Panzer-Entscheidung einen Millionenvertrag mit dem Rüstungsbauer.
Laut Kontrakt sollte
Ibos helfen, die von Athen geforderten Gegengeschäfte in Höhe von vier
Milliarden Euro zu organisieren - also beispielsweise griechische Zulieferer
für das Projekt zu finden, Wartungsanlagen für die Panzer zu bauen oder
wehrtechnisches Wissen zu liefern.
Hinter Ibos aber soll letztlich Liakounakos und seine
Firma Axon stehen. Und der gilt als einer der einflussreichsten Strippenzieher,
wenn man in den vergangenen Jahrzehnten Waffengeschäfte mit Athen machen
wollte. Kaum ein Rüstungs-Deal, bei dem der Industrielle nicht seine Finger im
Spiel hatte, egal ob bei Panzern, Hubschraubern oder Flugzeugen. Liakounakos hatte die Kontakte, die Rüstungsfirmen wie
KMW brauchen.
Offiziell hat KMW eine
Zusammenarbeit mit Liakounakos bei dem Panzergeschäft nie dementiert. Die
Beziehungen zwischen dem Waffenbauer und dem schwerreichen Griechen, der mit
seiner Axon-Gruppe auch im Gesundheitssektor und in der Bauindustrie investiert
hat, sollen bis in die achtziger Jahre zurückreichen, als Krauss Maffei die
ersten "Leopard 1"-Panzer an Athen verkaufte.
Kein Wunder also, dass
der Rüstungskonzern auch beim Verkauf des Nachfolgemodells auf den griechischen
Geschäftsmann setzte. Für die Gegengeschäfte, das sogenannte Offset, sei eine
enge Abstimmung mit der griechischen Regierung nötig gewesen, sagt ein
ehemaliger KMW-Manager. "Dafür haben wir die Hilfe von Liakounakos in
Anspruch genommen."
Wirklich nur dafür? Sollte die Athener
Staatsanwaltschaft herausfinden, dass Liakounakos den Beamten Kantas
tatsächlich bestochen hat, drohen KMW in Griechenland womöglich
Schadensersatzklagen in Milliardenhöhe.
Liakounakos bestreitet, jemals Schmiergelder gezahlt
zu haben. Und KMW erklärt auf Anfrage, man habe ihn und seine Axon-Gruppe nur
dafür bezahlt, "umfangreiche Offset-Leistungen zu erbringen". Dafür
habe Axon eine "angemessene Vergütung erhalten".
Zahlungen an die Briefkastenfirma Ibos will KMW nicht
geleistet haben. Man habe "den Vertrag mit Ibos 2001, vor Abschluss des
Liefervertrags 'Leopard 2', auslaufen lassen". Von den 600 000 Euro, die
Liakounakos dem Spitzenbeamten Kantas überlassen haben soll, habe man
"keinerlei
Kenntnis". Man verpflichte seine Partner ausdrücklich, "sich strikt
rechtmäßig zu verhalten". Dennoch will KMW den Fall nun extern untersuchen
lassen.
Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft München ein
Prüfverfahren eingeleitet. Die Fahnder wollen sich zunächst Kantas' Aussage
beschaffen - und dann die Umstände des Panzer-Deals eventuell noch einmal
aufrollen, falls der nicht verjährt ist.
Die Münchner Ermittler waren KMW schon vor Jahren auf
der Spur. Am 8. November 2004 hatte der damalige Oberstaatsanwalt August Stern
unter der Geschäftsnummer 562 AR 67291/04 ein Rechtshilfeersuchen nach Athen
geschickt. Ob man "Erkenntnisse über etwaige Zahlungen durch die Firma
Krauss-Maffei Wegmann" habe und was man über eine "International
Barter & Offset Service Corporation" wisse.
Damals verweigerte Athen die Hilfe. Diesmal hoffen die
Münchner auf mehr Kooperation seitens ihrer griechischen Kollegen.
DER
SPIEGEL 2/2014